Geht aus – Ochsen Muri AG

Im Monat November zieht es uns zum ersten Mal in den Kanton Aargau. Genauer gesagt in die Klosterstadt Muri im Freiamt. Seit über 400 Jahren steht dort das Restaurant Ochsen, ein historisch erwähntes Gebäude mit bewegender Geschichte von Erfolg und Misserfolg. So konnte sich das im 15. Jahrhundert erstmals erwähnte Gasthaus erst im späten 19. Jahrhundert erfolgreich in der kulinarischen Welt des Freiamtes behaupten. Für die Region spätestens ab da eine feste Grösse, so war es doch in der kulinarischen Landschaft der Schweizer Spitzengastronomie nicht weit über die Freiämter-Grenzen bekannt. Dies änderte sich mit dem ambitionierten Totalumbau zum 3-Häuser-Konzept Caspar, welches die Häuser Adler (gutbürgerliches Restaurant), Wolf (Hotel) und Ochsen (Fine Dining) vereint. Der Umbau wurde von Architektin Thilla Theus verantwortet, die unter anderem auch für den Umbau des renommierten 5-Sterne-Haus Widder in Zürich verantwortlich war. 

Seit der Eröffnung im Februar 2022 amtet Sebastian Rabe, ehemals Restaurant WART Hünenberg, als kulinarischer Verantwortlicher.

Ich freue mich auf den Abend und das anstehende 7-Gang-Menü. Als Fan von Sebastian’s feingliedriger, regionaler und innovativer Küche ist die Vorfreude meinerseits gross!

Den Anfang macht das Amuse bestehend aus vier Teilen: Randen-Tartelette, Brokkoletti, Sellerie und Zwiebelmaccaron. Das geht ja schon gut los, denke ich. Aber warum schon so viele “Teller” am Anfang als Amuse? Ist das nicht ein wenig arg viel? Egal auf gehts. Und erst beim Essen merke ich die unheimliche Ausgewogenheit. Das Randen-Tartelette kommt sehr erdig daher, der Brokkoletti sehr frisch mit leichter Salzigkeit, der Sellerie offenbart würzige trockene Aromen und der Zwiebelmaccaron ist süsslich floral. Herrlich! Alle vier zusammen ergeben ein harmonisches Bild und es kommt mir so vor, als würde Sebastian meine Geschmacksknospen für das anschliessende Menü justieren wollen. Erdig, salzig, süss, würzig. BAM let’s go!

Anschliessend auch ein “klassischer” Rabe. Der Brot Gang. Ein hausgemachtes Sauerteigbrötchen mit hauseigenem Kräutersalz und Sauerampferbutter. Als Brotliebhaber der ich bin, fühle ich mich jetzt endgültig abgeholt.

Sauerteigbrot | Kräutersalz | Sauerampfer Butter

Es folgt der erste offizielle Gang! Eine in der Textur seidig daher kommende “pannacotta” aus Hafermilch und Tofu, dazu eingelegter Sellerie garniert mit Kapuzinerkresse und karamellisierten Oliven, aufgegossen mit einer Essenz aus Kräutern. Die Dekoration am Rand entpuppt sich als sämiger Frischkäse mit Schnittlauch, der dem Gericht eine gewisse Schärfe verleiht. Alles in allem ein leichter, bekömmlicher Einstieg in das Menü, der Lust auf mehr macht. 

Als Pairing serviert Marc Kühne, der Gastgeber an der Front, einen alkoholfreien Gin mit eigens kreierter Kräuteressenz. “Wir sehen die Getränkebegleitung nicht rein konservativ als reine Weinbegleitung an, auch hier wollen wir Akzente setzen.” Als Weinliebhaber würde ich mir zwar nie einen alkoholfreien Gin zum Essen bestellen, muss aber zugeben, dass die Kombination zum ersten Gang absolut stimmig und wohltuend ist. 

Im zweiten Gang erwartet mich eine Kombination aus sehr frischem, leicht gegartem Zuger Felchen mit Lachsrogen, Kartoffelstampf, gebackener Mangold und Rotkabis-Crème. Das ganze ist wie ein Sandwich aufgebaut. Auch hier erfüllen wieder die Einzelkomponenten Ihren Job. Der Stampf gibt die Cremigkeit, der Felchen ein leichtes Raucharoma, die Rogen eine gewisse Salzigkeit und der Mangold den Crisp! Genial. Mehr!!

Als Pairing gibt es einen auf der Feinhefe ausgebauten Aargauer Chardonnay vom Weingut Sternen. Sehr passend!

Während ich auf den nächsten Gang warte, geniesse ich das Ambiente des von Grund auf renovierten Gasthauses. Man merkt schnell, dass bei der Auswahl der Materialien keine Kompromisse gemacht wurden. Die Offene Küche bietet Einblick in das illustre Treiben der Küchencrew. Mit einer stoischen Ruhe wird hier sehr detailliert und mit viel Fokus gearbeitet. 

Es folgt der vierte Gang. Vor mir, in einem hohen edlen Suppenteller angerichtet, findet sich ein kleiner “Kürbis” wieder. Angegossen wird er mit einem duftenden Zwiebelfond. Was im Auge und in der Nase auf den ersten Blick überzeugt, verblüfft am Gaumen umsomehr. Der Kürbis wurde aus einer art Gnocchimasse mit frischem Kürbis hergestellt und mit einem Granny Smith-Apfel-Gel garniert. Eine wahrlich verruchte Kombination, die von dem weichen, aber durchaus kräftigen Zwiebelfond vollendet wird. Aromatisch, herbstlich, einfach eine gelungene Kombination.

Dazu ein gereifter Verdejo Jahr 2017 welche die Aromatik des Granny Smith-Apfels widerspiegelt! Ich glaube, das nennt man “the perfect match”.

Kürbis
Verdejo Liberso Curioso Verdejo 2017

Kaum fertig geschwelgt, folgt auch schon das nächste Highlight. Frisches Hirschtartar mit Eierschwämmli, Haselnuss, gebeizten und geraspeltem Hirschherz, dazu Wildfond. Ein wahrlich meisterlicher Gang. Das Fleisch ist so frisch, so buttrig, dass es am Gaumen zergeht. Das Hirschherz gibt eine würzige Salzigkeit, der Wildfond eine schöne kräftige Note und die Haselnüsse einen gewissen Crisp.

Dazu serviert Marc keinen Rotwein, sondern einen sehr eleganten südfranzösischen Weisswein aus über 100-jährigen Carignan Blanc-Reben. Sehr gelungen. 

Hirschtatar | Eierschwämmli | Haselnuss
La parcelle secrete 2021

Nun folgt ein Gang für Liebhaber. Ich habe ihn später als gewagt bezeichnet. Serviert wird eine rohe, an frische nicht zu übertreffende Crevette aus dem nahegelegenen Sulzbach. Unter der Wärmelampe lediglich “erwärmt”, wird sie auf einer Fenchelcrème drapiert und mit einem herrlichen starken Krustentierfond umgossen. WOW. Meine erste Reaktion? Ich esse keine rohen Crevetten. Auch wenn sie aus Sulzbach kommen. Warum? Schlechte Erfahrungen! ABER ich kenne Sebastian jetzt schon ein paar Jahre und wenn er sagt frisch, dann heisst das auch frisch! Also her mit der Gabel. Und ja, ich bin sehr angenehm überrascht. Die Crevette ist nussig, in der Textur zart, mit leichtem Biss. Der Schalentier Fond dazu ein Gedicht. Mein Fazit? Ein sehr gelungenes, mutiges Gericht in Perfektion umgesetzt.

Das Pairing dazu ist eine feingliedrige Perle aus dem Priorat. Ein Garnatxa Blanca von Silvia Puig. Subtil, einzigartig und perfekt für diesen Gang. Lediglich 1400 Flaschen entsprangen dem Jahr 2020.

Crevette aus Sulzbach | Fenchel | Reis
Garnatxa Blanca del Carlos 2021

Ich merke mittlerweile, dass ich, was das Essen grosser Menüs angeht, nicht mehr richtig im Training zu sein scheine. Es stellt sich ein leichtes Gefühl der Sättigung ein. Kein Wunder, denke ich und schaue auf den soeben servierten Gang Nummer sechs: Ente – Mole – Stachelbeere. Na ja, denke ich. Das passt schon. Die Badesaison ist schliesslich vorbei!

Die Ente auf den Punkt gegart, angerichtet auf einem wohlschmeckenden Saucenspiegel, in dem ich baden könnte – so viel zur Badesaison. Dazu im Sommer hauseigen eingelegte Stachelbeere und Mole. A part ein hausgemachtes Brioche gefüllt mit Keulenfleisch der Ente und während dem Backen arosiert mit Entenfett. Dazu ein Bündner Pinot Noir. Was soll ich dazu noch sagen? 

Ente | Mole | Stachelbeere
Der etwas junge Pinot Noir

Als Pre-Dessert ein Aargauer Klassiker, völlig neu und aus meiner Sicht Geschmacklich viel interessanter interpretiert. Rüblikuchen mit Rüebli-Sorbet und Orangen-Espuma. Jep, jetzt bin ich wieder frisch und bereit für das Dessert. 

Das Dessert! Aufgetischt wird eine Kreation aus Süsskartoffel, Baumnüssen und Honig. Das Pairing dazu nennt Marc den “Baileys für Männer”. Nun, das Dessert auf dem Teller ist schon fantastisch. Die Kombination toppt das ganze noch. Der Süsskartoffel-Pie mit dem Baumnuss-Sorbet und dem Honigchip schmeckt wunderbar und man merkt, dass hier jemand viel Leidenschaft für die Patisserie mitbringt. Als Käsefan ziehe ich besagten den süssen Desserts vor, bei dieser Kombination muss ich allerdings gestehen, dass ich es ganz und gar nicht bereue, keinen Käse bestellt zu haben. 

Der Baileys für Männer, eine Mischung aus Don Papa Rhum und Rahm wird ab sofort mein Bettmümpfeli. 

Zu guter Letzt einen starken doppelten Espresso und als ob ich es nicht schon geahnt hätte, kommt auch hier noch eine Schatulle voller köstlichen Friandises dazu! Lange Rede kurzer Sinn, auch diese wurden vernichtet. 

Am Ende eines gelungenen Abends muss ich sagen das die Eindrücke der Küche des Ochsen überwältigend sind. So viel Talent, Können und Tatendrang gepaart mit einem sehr motivierten Staff und dem Potenzial, welches das Haus selbst, aber auch die Umgebung mit sich bringt, sind einfach eindrücklich. Ich bin mir sehr sicher, dass wir noch viel vom Ochsen im Freiamt hören werden und die 15 Punkte im Gault Millau lediglich ein bescheidener Anfang sind. 

Den Feinschmeckern unter unseren Kunden und Freunden kann ich die Reise nach Muri wärmstens empfehlen. Es muss ja nicht immer das 7-Gang-Menü sein. Sechs Gänge reichen ja auch 😉

In diesem Sinne hoffe ich, dass euch mein Bericht gefallen hat und ihr um einen Ausgangstipp reicher geworden seid!

Salud aus der Weinwerft

Euer Peter 

Ochsen Muri
Seetalstrasse 16
5630 Muri
Tel. +41 (0)56 200 71 00

www.ochsenmuri.ch